BIK-BITV / BIK-Web-Test

Testverfahren zur Prüfung der Barrierefeiheit von Webanwendungen anhand der Kriterien der WCAG 2.1, EN 301 549 und BITV 2.0
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Prüfschritt 9.1.3.1d: keine Screenreader-Unterstützung für em und strong #367

Closed sprungmarker closed 4 months ago

sprungmarker commented 10 months ago

Steve Faulkner schlägt in seinem aktuelle Artikel "Screen Readers support for text level HTML semantics" (Update: 08/23) auf die negative Bewertung von strong und em zu verzichten, weil Screenreader deren Semantik bei Standardeinstellung nicht unterstützen (und das ja seit Jahren nicht).

Ich bewerte ein überproportionales Verwenden von strong oder em durchaus negativ, wenn es nur für visuelle Zwecke eingesetzt wird. Aber die Frage ist halt wirklich, ob das korrekt ist. Die meisten Editoren unterstützen die Unterscheidung von strong / em und b / i nicht.

Was denkt ihr?

sweckenmann commented 10 months ago

Gute Frage. Ich bin diesbezüglich vorsichtig bei der Bewertung und würde (je nach Kontext) vermutlich nur ein "eher erfüllt" geben (wenn das das einzige Problem ist).

stefanFarnetani commented 10 months ago

@sprungmarker ein Beispiel für "überproportionales Verwenden" wäre hilfreich. Ich bin bisher froh, wenn jemand strong oder em verwendet und nicht nur ein div mit CSS-Angaben nutzt.

sprungmarker commented 10 months ago

@stefanFarnetani ich habe immer wieder Seiten getestet, wo ganze Sätze, oft auch Absätze mit strong ausgezeichnet worden sind. Meisthin ist das dann auf allen getesteten Seiten der Fall.

Das sind oft Gemeindeseiten wie diese: https://www.lauenbrueck.de/ Gut, einiges kann man noch unter Überschrift einordnen, aber der Rest ist schlicht strong für visuelle Zwecke.

MarcHaunschild commented 10 months ago

Mir stellen sich dabei gleich zwei sehr grundsätzliche Fragen.

  1. Screenreader Vielleicht ist die fehlende Unterstützung bei Standard-Einstellungen (aber es ist schon Unterstützung vorhanden?) deswegen nicht gegeben, weil so wenige Webseiten diese Auszeichnungen richtig unterscheiden - und mit Webseiten meine ich letztendlich die Menschen, die in der Redaktion beschäftigt sind.
  2. Editoren Auch hier gehe ich davon aus, dass sich einfach niemand damit beschäftigen will, sinnvolle, professionelle Werkzeuge bereit zu stellen, mit denen man beispielsweise auch sinnvoll Sprachen auszeichnen kann, weil es von den Publishern eh nicht genutzt wird. Und die nutzen es nicht, weil es nciht da ist und weil sie auch oft gar nicht wissen, dass es nötig ist oder wo sie die Funktionalität einfordern könnten.

Diese eigentlich schädliche Unterlassung führt dazu, dass sich der Zustand als "nicht wichtig" in den Köpfen manifestiert.

Ich sage immer wieder: Barrierefreiheit ist nicht gleich Unterstützung für Screenreadernutzer. Wenn wir uns gegen Abwertungen entscheiden, weil heutige Hilfsmittel korrekte Auszeichnung nicht honorieren, sorgen wir mit dafür, dass sich niemand mehr dafür (oder darüber hinaus gehende Verbesserungen wie MicroData) interessiert. Wir tragen dann dazu bei, dass es so bleibt, wie es ist.

Das macht es dann auch unattraktiv weitere Hilfsmittel zu entwickeln, die beispielsweise bei kognitiven Behinderungen Unterstützung durch Analyse der Website anbieten.

Aktuell macht der Prüfschritt 9.1.3.5 Eingabefelder zu Nutzerdaten vermitteln den Zweck beispielsweise keinen Sinn, weil er doch recht einsam da steht. Erst recht wenn jetzt 9.4.1.1 Korrekte Syntax wegfällt. Was sollen denn zukünftige Hilfsmittel überhaupt noch auswerten in den modernen div-Wüsten.

Wir nehmen immer öfter hin, dass Webseiten erschaffen werden, die schlicht kaum noch Anhaltspunkte für eine Analyse durch Software erlauben, die dann unterstützen kann. Als Grund heißt es sehr oft: "Screenreader machen das eh nicht". Aber die WCAg sind technologieoffen und nur weil SR nicht alles implementieren, sollte man nicht vollständig aufgeben auf wenigstens rudimentär korrekte Semantik zu bestehen. HTML - also die korrekte Auszeichnung nach Semantik - hat ihren Sinn.

Und es ist auch wirklich kinderleicht. Man kann von professionellen Redaktionen schon verlangen, dass sie wissen was "wichtiger" Text ist. Ich meine, wie tief will man intellektuell denn noch sinken?

Es ist eine Sache, wenn so was hin und wieder versehentlich falsch genutzt oder vergessen wird. Aber das systematisch zur Textgestaltung einzusetzen ist dann doch übertrieben. Ich bin da zwar auch großzügig, weil man ja letztendlich die Texte doch noch versteht; hier finde ich die Aufteilung in so viele Prüfschritte etwas schwierig. Wenn ich nach EN 301 549 teste, ist das alles ja ein Prüfschritt und wenn noch andere Dinge nicht sauber umgesetzt sind (z.B. Zitate), kommt man dann irgendwann an den Punkt, wo einem klar wird, hier wird wirklich vollkommen beliebig ausgezeichnet. Vielleicht noch hier und da ein leerer Absatz für Abstände, eine hr einfach mitten in einem Sinnzusammenhang als optische Aufwertung - dann würde ich irgendwann abwerte, weil so viele Fehler zu der Vermutung führen, dass hier keiner weiß, wodrauf es Barrierefreiheit ankommt. Wenn wir eine repräsentative Seitenauswahl testen, wissen wir ja gar nichts, über die anderen Seiten. Wenn alles im Prüfsampel (nahezu) fehlerfrei ist, sehen wir, dass ordentliche Arbeit abgeliefert wurde und vermuten Barrierefreiheit auch auf den anderen Seiten. Bei der systematisch falschen Verwendung von Semantik, fällt mir diese auch rechtlich relevante Vermutung schwer.

Die getrennten Prüfschritte unseres Test führen dann dazu, für jeden Prüfschritt für sich betrachtet wäre vielleicht eine Abwertung etwas hart und beide bekommen für sich genommen ein "eher erfüllt" aber alles zusammen ist nicht wirklich gut zugänglich - und vor allem wenn das sich nicht mal grundlegend verbessert - führt dann eben zu jenem Fehlen von Semantik, die verhindert, dass neue Hilfsmittel programmiert werden, weil die eh nur auf 0,8% der Webseiten sinnvoll verwendet werden.

Henne und Ei...

stefanFarnetani commented 10 months ago

Das sind oft Gemeindeseiten wie diese: https://www.lauenbrueck.de/

Oh. Ich verstehe. Da ist einiges im Argen. Ich würde in dieser konkreten Situation ein "eher nicht erfüllt" vergeben. Es ändert tatsächlich nichts für Nutzer*innen, aber es wurde semantisches Element konsequent und im großen Maßstab falsch eingesetzt. Das ist in diesem Umfang als ob man Überschriften nicht nach ihrer Semantik, sondern ihrem Aussehen einsetzt.

johannesFischer84 commented 10 months ago

Es kommt darauf an. Wie @MarcHaunschild gesagt hat, ist Technologieoffenheit ein Prinzip der WCAG. In gewisser Weise übt vorhandene semantische Auszeichnung auch Druck auf die Hersteller von assistiven Technologien aus. Meine persönliche Meinung zum Prüfen: WCAG 1.3.1 besteht nicht nur aus Hervorhebungen. Wenn kein <strong>/ <em> gesetzt ist, dies das einzige Problem ist und die Hervorhebungen nicht besonders relevant für die Seite sind, würde ich eher erfüllt für angemessen erachten. Wenn die Hervorhebungen aber optisch das Verstehen eines Abschnitts positiv beeinflussen und Hervorhebungen auch öfter eingesetzt werden, halte ich das für einen wichtigen Inhalt und würde bei allgemein nicht korrekter Auszeichnung zumindest auf teilweise erfüllt bzw. nach WCAG nicht konform heruntergehen.

detlevhfischer commented 5 months ago

Wenn Autoren Textteile im Fließtext visuell hervorheben, scheint mit selbst beim Beispiel Lauenbrück nicht so klar, dass damit nicht auch eine semantische Hervorhebung impliziert ist. Solche Inhalte sind dann gegenüber anderen hervorgehoben, darin liegt eine Emphase, und ich kann an der Benutzung von strong hier eigentlich nichts bemängeln. Das praktische Problem für Screenreadernutzer ist gering bis nichtexistent, und eine härtere Bewertung von 9.1.3.1d "Inhalte gegliedert" als "eher erfüllt" fände ich dafür unangemessen. Dagegen würde man hier natürlich in 9.1.3.1a negativ bewerten, dass Überschriften nicht als solche semantisch umgesetzt, sondern mit strong hervorgehoben sind.

detlevhfischer commented 5 months ago

@sprungmarker Ist der Drops gelutscht? Kann das Issue zu?

sprungmarker commented 4 months ago

@detlevhfischer ja kannst du schließen - danke.