Im Feld der deliberativen Demokratie werden seit den 1980er-Jahren verschiedene Formate zur Bürgerbeteiligung erprobt, etwa bei Diskussionen über örtliche erneuerbare Energien (Lehr & Guild, 2003) und lokale Bürgerinnen-Budgets (Coelho & Pozzono, 2005) oder in der Stadtplanung (Sokoloff, 2005). Leider sind die meisten dieser Formate für eine verhaltens- und sozialwissenschaftliche Citizen Science ungeeignet. Sie konzentrieren sich überwiegend auf naheliegende und greifbare Phänomene und Politikfelder (Fung & Wright, 2001), während sich sozialwissenschaftliche Fragen oft – quasi per Definition – mit abstrakten und komplexen Zusammenhängen in modernen Gesellschaften befassen und daher andere Beteiligungsformate verlangen Eine vielversprechende Vorlage liefern die kleineren, spezialisierten Consensus Conferences der skandinavischen Technikfolgenabschätzung (Einsiedel, 2000, Kleinman et al. 2007, 2008), und vor allem das aufwendige kanadische Modell einer Citizen Assembly zur Wahlrechtsreform in British Columbia (Warren & Pearse 2008). Beide Verfahren finden im hier vorgeschlagenen Projekt zur Bürgerwissenschaft Anwendung: Nudging benötigt eine deliberative Legitimation, zu der zwei ineinandergreifende Methoden angewendet werden: Eine lokale, moderierte CiviCon Bürgerkonferenz als deliberatives Format mit einer kleinen, vielfältigen Stichprobe von Bürgerinnen und Bürgern sowie eine virtuelle, web-basierte und skalierbare Erhebung der operanten Subjektivität zum Thema Nudging für alle interessierten Bürger*innen.
Auch bei der Messung von deliberativer Qualität dieser und anderer Beteiligungsformen gibt es für eine Citizen Science einige methodische Herausforderungen zu lösen. Auf prozeduralen Definitionen von Deliberation fußende Ansätze nehmen rein formale Aspekte der Beteiligung in den Blick, wie etwa die Anzahl der gegebenen Gründe (Steenbergen et al., 2003) oder sogar der Anteil an Unterbrechungen (Steiner 2012). Diese Messungen sind für die Citizen Science alleine schon deshalb ungeeignet, da sie den substantiellen wissenschaftlichen Gehalt der Teilhabe vernachlässigen, der bei Bürgerwissenschaften natürlich im Zentrum stehen muss. Auch an der deliberativen Theorie wie der Diskursethik Habermas’ scheitern diese Operationalisierungen (Habermas 1984). Dem gegenüber stehen äußerst kritische Ansätze, die einen marginalisierenden Rationalismus bei der Beteiligung befürchten und dementsprechend eine diskurstheoretische Methodik nahe legen. Natürlich ist Inklusion auch für Citizen Science ein zentrales Anliegen und eine wichtige Herausforderung, und zwar umso mehr, als berücksichtigt werden muss, dass es sich um ein wissenschaftliches Projekt handelt, in dem Bürgerinnen als Forscherinnen auftreten, von denen qua Definition rationale Sprechakte verlangt werden. Doch auch der Ansatz der Deliberative Polls (Fishkin 2009), in dem (unter anderem) der Wissenszuwachs nach der Beteiligung gemessen wird, erscheint für die Messung von deren Qualität als nicht ausreichend, weil ein solcher Test die Asymmetrie zwischen Expertinnen und Bürgerinnen sowohl auf der Ebene des Verfahrens als auch auf der Ebene dessen, was wer als „richtiges“ „Wissen“ definiert, performativ widersprüchlich wieder neu etabliert.
Anstelle eines prozeduralen, kritischen oder substantiellen Standards haben Niemeyer und Dryzek (1997) eine auf der Q-Methodologie basierende meta-substantielle Operationalisierung von gelungener Beteiligung erarbeitet. Hier werden weder der Prozess noch die Ergebnisse in den Blick genommen, sondern die sich etwa hinsichtlich Konsistenz und Dimensionalität wandelnde Struktur der Subjektivitäten der Teilnehmenden. Dieser Ansatz soll im Projekt aufgegriffen und anhand von Q2D und Q-Cat Verfahren kritisch erprobt und weiterentwickelt werden.
Sowohl als Instrument zur wissenschaftlichen Auswertung der CiviCon Bürgerkonferenz als auch als eigenständige, web-basierte Beteiligungstechnologie werden die im Rahmen des Qwrks Projektes an der Universität Hohenheim entwickelten, auf der Q Methodologie basierenden Ansätze “Q2D” und “Q-Cat” zur Erhebung von multimodaler und kategorialer operanter Subjektivität sowie der dazugehörigen in der Entwicklung befindlichen Open Source R-Software “pensieve” eingesetzt. Im Unterschied zu klassischen, jüngst in die Kritik geratenen Q-methodologischen Ansätzen (Tamas & Kampen 2014), arbeiten diese Ansätze nach konventionellen statistische Verfahren und Standards. In dem Verfahren sind Bürger*innen eingeladen, eine größere Anzahl von das Nudging betreffende kontroversen Aussagen und Szenarien in eine Rangordnung zu bringen und offen zu kategorisieren. Diese Sortierungen und Kategorisierungen werden mittels modernen statistischen Dimensionsreduktionsverfahren zu idealtypischen Sichtweisen zum Thema Nudging zusammengefasst. Diese Sichtweisen können schließlich vom Forscherteam induktiv interpretiert werden. Insbesondere kann mittels des neu entwickelten Q2D Verfahrens ermittelt werden, ob und inwiefern Bürgerinnen und Bürger zwischen (ontologischen) Annahmen und (axiologischen) Bewertungen unterscheiden.
Die Erhebung erfolgt mittels eines modernen Webinterfaces, in dem teilnehmende Bürger*innen zudem neue, zusätzliche Aussagen vorschlagen, und offene Rückmeldungen eintragen können. Die Aussagen werden auf Grundlage der fachdidaktischen Gestaltung der Lernphasen von den ausrichtenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entwickelt, und gegebenfalls um eingereichte Bürgervorschläge erweitert. Die Erhebung steht während und nach der Projektdurchführung kontinuierlich allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern offen, und wird automatisch laufend weiter analysiert.
Im Unterschied zur etablierten Umfrageforschung zu verhaltenswissenschaftlicher Politik arbeiten die Q2D und Q-Cat Ansätze induktiv, und bieten daher eine skalierbare, robuste aber offene Technologie zur Beteiligung. Die Struktur und der substantielle Gehalt der idealtypischen Sichtweisen zum Thema Nudging kann holistisch und ohne theoretische Vorannahmen von Forscherseite erfasst werden. Damit sind Q2D und Q-Cat auch geeignet um die deliberative Qualität der CiviCon Konferenz zu evaluieren: Ohne hypothetiko-deduktive Vorannahmen oder diskursanalytische Beliebigkeit ermöglichen sie es eine Zunahme an Metakonsens und intersubjektiver Rationalität zu messen (Niemeyer & Dryzek 2007).
Im Feld der deliberativen Demokratie werden seit den 1980er-Jahren verschiedene Formate zur Bürgerbeteiligung erprobt, etwa bei Diskussionen über örtliche erneuerbare Energien (Lehr & Guild, 2003) und lokale Bürgerinnen-Budgets (Coelho & Pozzono, 2005) oder in der Stadtplanung (Sokoloff, 2005). Leider sind die meisten dieser Formate für eine verhaltens- und sozialwissenschaftliche Citizen Science ungeeignet. Sie konzentrieren sich überwiegend auf naheliegende und greifbare Phänomene und Politikfelder (Fung & Wright, 2001), während sich sozialwissenschaftliche Fragen oft – quasi per Definition – mit abstrakten und komplexen Zusammenhängen in modernen Gesellschaften befassen und daher andere Beteiligungsformate verlangen Eine vielversprechende Vorlage liefern die kleineren, spezialisierten Consensus Conferences der skandinavischen Technikfolgenabschätzung (Einsiedel, 2000, Kleinman et al. 2007, 2008), und vor allem das aufwendige kanadische Modell einer Citizen Assembly zur Wahlrechtsreform in British Columbia (Warren & Pearse 2008). Beide Verfahren finden im hier vorgeschlagenen Projekt zur Bürgerwissenschaft Anwendung: Nudging benötigt eine deliberative Legitimation, zu der zwei ineinandergreifende Methoden angewendet werden: Eine lokale, moderierte CiviCon Bürgerkonferenz als deliberatives Format mit einer kleinen, vielfältigen Stichprobe von Bürgerinnen und Bürgern sowie eine virtuelle, web-basierte und skalierbare Erhebung der operanten Subjektivität zum Thema Nudging für alle interessierten Bürger*innen.
Auch bei der Messung von deliberativer Qualität dieser und anderer Beteiligungsformen gibt es für eine Citizen Science einige methodische Herausforderungen zu lösen. Auf prozeduralen Definitionen von Deliberation fußende Ansätze nehmen rein formale Aspekte der Beteiligung in den Blick, wie etwa die Anzahl der gegebenen Gründe (Steenbergen et al., 2003) oder sogar der Anteil an Unterbrechungen (Steiner 2012). Diese Messungen sind für die Citizen Science alleine schon deshalb ungeeignet, da sie den substantiellen wissenschaftlichen Gehalt der Teilhabe vernachlässigen, der bei Bürgerwissenschaften natürlich im Zentrum stehen muss. Auch an der deliberativen Theorie wie der Diskursethik Habermas’ scheitern diese Operationalisierungen (Habermas 1984). Dem gegenüber stehen äußerst kritische Ansätze, die einen marginalisierenden Rationalismus bei der Beteiligung befürchten und dementsprechend eine diskurstheoretische Methodik nahe legen. Natürlich ist Inklusion auch für Citizen Science ein zentrales Anliegen und eine wichtige Herausforderung, und zwar umso mehr, als berücksichtigt werden muss, dass es sich um ein wissenschaftliches Projekt handelt, in dem Bürgerinnen als Forscherinnen auftreten, von denen qua Definition rationale Sprechakte verlangt werden. Doch auch der Ansatz der Deliberative Polls (Fishkin 2009), in dem (unter anderem) der Wissenszuwachs nach der Beteiligung gemessen wird, erscheint für die Messung von deren Qualität als nicht ausreichend, weil ein solcher Test die Asymmetrie zwischen Expertinnen und Bürgerinnen sowohl auf der Ebene des Verfahrens als auch auf der Ebene dessen, was wer als „richtiges“ „Wissen“ definiert, performativ widersprüchlich wieder neu etabliert.
Anstelle eines prozeduralen, kritischen oder substantiellen Standards haben Niemeyer und Dryzek (1997) eine auf der Q-Methodologie basierende meta-substantielle Operationalisierung von gelungener Beteiligung erarbeitet. Hier werden weder der Prozess noch die Ergebnisse in den Blick genommen, sondern die sich etwa hinsichtlich Konsistenz und Dimensionalität wandelnde Struktur der Subjektivitäten der Teilnehmenden. Dieser Ansatz soll im Projekt aufgegriffen und anhand von Q2D und Q-Cat Verfahren kritisch erprobt und weiterentwickelt werden.
Sowohl als Instrument zur wissenschaftlichen Auswertung der CiviCon Bürgerkonferenz als auch als eigenständige, web-basierte Beteiligungstechnologie werden die im Rahmen des Qwrks Projektes an der Universität Hohenheim entwickelten, auf der Q Methodologie basierenden Ansätze “Q2D” und “Q-Cat” zur Erhebung von multimodaler und kategorialer operanter Subjektivität sowie der dazugehörigen in der Entwicklung befindlichen Open Source R-Software “pensieve” eingesetzt. Im Unterschied zu klassischen, jüngst in die Kritik geratenen Q-methodologischen Ansätzen (Tamas & Kampen 2014), arbeiten diese Ansätze nach konventionellen statistische Verfahren und Standards. In dem Verfahren sind Bürger*innen eingeladen, eine größere Anzahl von das Nudging betreffende kontroversen Aussagen und Szenarien in eine Rangordnung zu bringen und offen zu kategorisieren. Diese Sortierungen und Kategorisierungen werden mittels modernen statistischen Dimensionsreduktionsverfahren zu idealtypischen Sichtweisen zum Thema Nudging zusammengefasst. Diese Sichtweisen können schließlich vom Forscherteam induktiv interpretiert werden. Insbesondere kann mittels des neu entwickelten Q2D Verfahrens ermittelt werden, ob und inwiefern Bürgerinnen und Bürger zwischen (ontologischen) Annahmen und (axiologischen) Bewertungen unterscheiden.
Die Erhebung erfolgt mittels eines modernen Webinterfaces, in dem teilnehmende Bürger*innen zudem neue, zusätzliche Aussagen vorschlagen, und offene Rückmeldungen eintragen können. Die Aussagen werden auf Grundlage der fachdidaktischen Gestaltung der Lernphasen von den ausrichtenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entwickelt, und gegebenfalls um eingereichte Bürgervorschläge erweitert. Die Erhebung steht während und nach der Projektdurchführung kontinuierlich allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern offen, und wird automatisch laufend weiter analysiert.
Im Unterschied zur etablierten Umfrageforschung zu verhaltenswissenschaftlicher Politik arbeiten die Q2D und Q-Cat Ansätze induktiv, und bieten daher eine skalierbare, robuste aber offene Technologie zur Beteiligung. Die Struktur und der substantielle Gehalt der idealtypischen Sichtweisen zum Thema Nudging kann holistisch und ohne theoretische Vorannahmen von Forscherseite erfasst werden. Damit sind Q2D und Q-Cat auch geeignet um die deliberative Qualität der CiviCon Konferenz zu evaluieren: Ohne hypothetiko-deduktive Vorannahmen oder diskursanalytische Beliebigkeit ermöglichen sie es eine Zunahme an Metakonsens und intersubjektiver Rationalität zu messen (Niemeyer & Dryzek 2007).